Aktuelles:
-Geplanter Tagesausflug: voraussichtlich am 15.11.2024, Freitag nach Meyenburg ins Modemuseum
-Geplante Weihnachtsfeier: voraussichtlich am 11.12.2024, Mittwoch, in Hermannswerder
-Rezension: Als ich meine Sprache verlor. Diagnose Aphasie und Sprechapraxie. Margrit During 2024
Das Buch, eine Paperback-Ausgabe mit Vorwort, gliedert sich in zwei Teile: Tagebuch und Interviews. Das Tagebuch der Autorin nimmt den größten Teil ein und enthält fünf Kapitel:
Der Schlaganfall, Im Krankenhaus, Die Reha, Wieder zu Hause, Die Aphasietherapie.
Die eindringlichen Schilderungen sind ambitioniert ausführlich und chronologisch und umfassen den kompletten Werdegang vom Schlaganfall, der sie in ihrer Wohnung ereilte, über die Versorgung auf der Rettungsstelle, der STROKE Unit bis zur Reha inkl. bis nach Aachen in die Intensivtherapie und bis zu den ambulanten Therapien wieder zuhause. Eingebettet sind jeweils Kurzinterviews aus den Erinnerungen der Familienmitglieder zu den jeweiligen Ereignissen. Hervorzuheben ist der besondere Umstand 2020, es herrscht weltweit Corona, die Pandemie hat die Welt im Griff: Corona-Bedingungen mit Besuchsverbot im Krankenhaus, in der Reha-Klinik, Verbot von Begleitung in die Praxen. Die innere und äußere Welt aus den Angeln gehoben: isoliert, aufgewühlt und kämpferisch meistert die Autorin diesen Zustand.
Den zweiten Teil des Buches bilden die Interviews, die sie mit Logopädinnen und Mitpatient*innen führte. Die Autorin, eine promovierte Sozialwissenschaftlerin, die selbst beruflich mit Menschen mit Handicaps und Versorgungsbedürftigkeiten zu tun hatte, lässt die Leser teilhaben am Leben mit einer Aphasie. Sie zeigt den mühsamen Weg, sich Sprache und Schrift wieder zurück zu erobern und demonstriert lebendig am Alltag die sozio-kommunikativen Auswirkungen der Sprachlosigkeit. Es sind realistische Schilderungen der Kommunikationsbarrieren z.B. bei Urindrang oder ohne Handykabel. Sie stellt anschaulich das Unvermögen, sich mitzuteilen, dar und den mehr oder weniger guten Umgang ihrer Mitmenschen damit, darunter auch Professionelle (Pflegende, …). Mancherorts wird der nötige Info- und Schulungsbedarf im Umgang mit Aphasikern noch sehr deutlich. Missverständnisse, fehlende klare Botschaften führen zu Frust und Irritationen – nicht nur bei Behördenbesuchen und Ämtern, dort aber mannigfaltig. Hier ähneln sich vielfach die Negativerfahrungen von Aphasikern. Es wird deutlich, wie notwendig die zügige Umsetzung von Barrierefreiheit für leichte Sprache an öffentlichen Stellen ist.
Ein persönliches Buch. Berührende Situationen, z.B. als sich Ehemann und die Patientin drei Wochen nach dem Schlaganfall erstmalig auf dem Rehaklinik-Gelände gegenüberstanden, sich wegen Corona aber nicht in die Arme nehmen durften. Sehr anschaulich und gelungen fand ich, dass die Autorin Original-Zitate ihrer WhatsApp-Nachrichten so belassen hat. Mit all den Fehlern, den Umstellungen, Auslassungen, der ungebeugten Verbform, den Satzfragmenten. Für mich als Sprachtherapeutin mit über 20jähriger Klinikerfahrung mit Schlaganfall-Patienten war interessant, die Perspektive der Betroffenen so detailliert und vertiefend zu erleben: die kleinen Hilfestellungen, Kniffs, sich verständlich zu machen, so zum Beispiel die Bedeutsamkeit von WhatsApp-Gruppen, von Nachschlagewerken, die Relevanz intakter Familienstrukturen, wie Familienmitglieder mit der Krankheit und den Auswirkungen umgehen und die Patienten auffangen. Als Therapeutin hätte ich persönlich genauere Arztdiagnosen aus dem Arztbrief bzw. die Abschlussbefunde der Therapeuten sowie die genauen Testergebnisse der Aphasietests (ACL, TT, ev. AST oder AAT) spannend gefunden. Ist die Patientin auf Dyskalkulie getestet worden?
Ein mutiges Buch, das offen mit der Erkrankung und all den persönlichen und gravierenden Auswirkungen umgeht und dem Leser diese Einblicke gibt. Danke.
Andrea G.Fichtmüller, Sprechwissenschaftlerin / Sprachtherapeutin